Samichlaus-Geschichte

         in Myra/Türkei

 

In der reichen Stadt Patara lebte ein Knabe der hiess Nikolaus. Vater und

Mutter starben an einer bösen Krankheit. Er weinte Tag und Nacht. Die

Eltern hinterliessen ihm grossen Reichtum: Gold, Silber, Edelsteine,

Ländereien, Schlösser und Paläste. Auch Pferde, Schafe, Esel und andere

Tiere besass er. Doch er war trotzdem sehr traurig und konnte sich über

seinen Reichtum nicht freuen. Seine Angestellten wollten ihn aufmuntern.

Der Hofmeister anerbot sich, ihm seine Schlösser zu zeigen. Der

Stallmeister wollte mit ihm auf den schönsten Pferden durch die

Ländereien reiten. Der Küchenmeister meinte, er könne doch für alle

 

reichen Kinder der Stadt ein köstliches Essen zubereiten.

 

Doch Nikolaus wollte von allem nichts wissen. Auch die Tiere spürten, dass

er traurig war. Sie drängten sich zu ihm. Vom Weinen müde, wollte er sich

schlafen legen. Da stiess er mit dem Fuss an einen Tonkrug, in dem viele

Schriftrollen steckten. Eine davon ergriff er und begann zu lesen. "Da war

ein reicher Mann, der lebte herrlich und in Freuden. Da war aber auch ein

Armer, der lag vor seiner Tür und wollte nur Brotsamen die den Reichen

vom Tische fielen. Doch diese gönnten sie ihm nicht. Es geschah, dass der

Arme starb. Er wurde von den Engeln in den Himmel getragen. Auch der

Reiche starb. Doch es kamen keine Engel, ihn zu holen".

Gleiche ich nicht dem reichen Mann in der Geschichte, dachte Nikolaus. Ich

bin schön gekleidet und lebe im Überfluss. Die Bettler draussen beim

Stadttor habe ich vergessen. Morgen will ich früh aufstehen und mich nach

ihnen umsehen. Am Morgen schlich er sich zum Palast hinaus. Nach dem

Stadttor fand er die Ärmsten der Stadt, zerlumpt, krank und elend. Als sie

ihn erblickten, streckten sie die Hände entgegen. Nikolaus wollte in die

Tasche greifen, doch an seinem bestickten Kleide gab es keine. Eilig löste er

die schwere Goldkette vom Hals, zog den Ring vom Finger und gab es

ihnen. Er schlüpfte aus dem Obergewand, dem bunten Rock, den Sandalen

und verschenkte alles. Glücklich ging er nach Hause. Er war wieder fröhlich.

Nikolaus liess auf seine Kleider Taschen aufnähen. Vergnügt schlüpfte er in

seinen, weiten, roten Mantel und spazierte am Abend durch den Garten. Er

füllte seine Taschen mit Nüssen, Äpfel und Mandarinen. Erneut schlich er

sich aus dem Palast, ging zu den Armen und verteilte alles. Mit 12 Jahren

wurde Nikolaus weit weg in die Schule gebracht. Berühmte Lehrer

unterrichteten ihn und unterwiesen ihn in der Heiligen Schrift. Wo er Not

und Elend sah, gab er mit vollen Händen. Doch er machte dies jeweils im

Verborgenen.

Als er einmal zum Gottesdienst in die Kirche trat, wurden die Worte

verlesen, die Christus zum reichen Jüngling gesagt hatte: "Willst du mir

angehören, so verschenke alles was dir gehört an die Armen". Über diese

Worte hatte Nikolaus oft nachgedacht. Nun liessen sie ihn nicht mehr los.

Er rief den Haushofmeister, befahl ihm Geld und Gut an die Armen zu

verteilen. Denn er wolle sich aufmachen ins Heilige Land, wo unser Herr

gelebt hatte. Nikolaus litt auf seiner Pilgerfahrt oft grosse Not. Bei allem

Hunger blieb er aber stets fröhlich. Er zog durch das Land und predigte das

Wort Gottes. Den Kindern erzählte er Geschichten aus der Bibel.

Eines Tages kehrte er in die Heimat zurück. In Myra war der alte Bischof

gestorben. Als man Nikolaus erblickte fragte man, wer er sei. Ich bin

Nikolaus ein Diener Christi, antwortete er. Da führte man ihn ins

Gotteshaus und ernannte ihn zum Bischof. Als er wieder ins Freie trat,

stand sein alter, grauer Esel vor der Tür. Von da an wurde er sein treuer

Begleiter. Nikolaus sorgte für die Gläubigen wie ein Hirt für seine Schafe. In

Zeiten der Gefahr predigte er den Christen an einsamen Orten und stärkte

sie im Glauben.

An seinem Geburtstag kleidete er sich jeweils in den kostbaren

Bischofsmantel und nahm den Hirtenstab zur Hand. Seinen Esel belud er

mit einem schweren Sack. Der war gefüllt mit Äpfel, Nüssen, Mandarinen

und Honigkuchen. Er schritt durch die Strassen und verteilte die Gaben und

machte diesen Tag zu einem grossen Fest. Das hielt er so bis ins hohe Alter.

Und als die Stunde kam da Gott ihn heimholen wollte, fiel ihm nur eines

schwer, dass er sich von den Kindern trennen sollte.

Bischof Nikolaus starb am 6. Dezember 352. Zum Andenken an ihn nennen

wir diesen Tag noch heute den Nikolaustag und feiern zur Freude aller

Kinder das Nikolausfest. Somit kündet er als Vorbote die Weihnachtszeit an.